2017Alain MuellerComment

Überfahrt nach San Francisco

2017Alain MuellerComment
Überfahrt nach San Francisco

Der Muskelkater hält sich am Morgen noch in Grenzen. Und so fällt das Zusammenpacken recht leicht und wir fahren ohne Frühstück dem Glacier Point entgegen. Leider hat es auf dem Weg keine Picknick-Stelle und so sind wir nach 33 Meilen - und einer Durchquerung von einem nahezu gelöschten Waldbrand - schon beim Parkplatz des Aussichtspunktes. Es sind noch nicht viele Autos da und so befriedigen wir zuerst unsere knurrenden Mägen und gehen erst danach zum View Point. Also zaubern wir Pancakes, Bacon and Eggs „sunny side up“ hin und schlemmen in mitten des Touristentrubels ein leckeres Frühstück.

Danach geht es zum Glacier Point. Auch hier bietet sich ein schöner Ausblick ins Valley, den Half Dome, Clouds Rest und wie die Gipfel alle heissen. Fotos werden geknipst und nach kurzer Zeit kehren wir zurück. Mit Verwunderung stellen wir ein kleines Verkehrschaos fest. Der Verkehr staut sich bis zum Parkplatz-Eingang. Aber wir denken uns nichts dabei. Erst bei unseren Pfupfis sehen wir den Grund für den Stau. Es sind unsere Wohnmobile! Ein Bus kommt nicht durch.

Also eigentlich

schon, aber die Fahrerin meint, sie hätte nicht genug Platz. Dabei ist sie auch noch so nah auf uns Aufgefahren, dass wir nicht mehr rückwärts aus den Parklücken kommen. Alle Leute drum herum reden auf sie ein, dass es kein Problem sei. Aber sie geht lieber auf Ranger-Suche anstatt vorwärts zu machen. Die Suche bleibt für uns zum Glück erfolglos. Und haben versucht sie aber, hinter ihrem Bus Platz zu schaffen. Nach und nach kann sie die Autos irgendwie dazu bewegen, dass sie mit ihrem Bus ein paar Meter Rückwärts fahren kann.

Nach langem Hin und Her fahren wir genervt von dannen. Wir merken wieder, dass dieser Park zu voll ist und unsere grossen Vehikel nicht praktisch sind. Auch beim Taft Point hat es keinen Platz mehr und so brausen wir auf direktem Wege zum Westausgang. Aber der Tag hat ja schon gut begonnen. Bevor wir den Ausgang erreichen, macht es auf einer engen Strasse: PENG!!!! Nun ist es doch passiert. Unser Aussenspiegel ist hin. In tausend Teile zersprungen hängt nur noch eine schwarze Plastikverkleidung. Alain ist mit einem entgegenkommenden Fahrzeug kollidiert, besser gesagt, Spiegel an Spiegel und diesmal hat es nicht mehr gereicht. Die Stimmung ist nun wirklich im Keller und wir sind irgendwie froh, fahren wir aus diesem Disneyland raus (naja, schön ist es ja trotzdem hier 😝). Nach einem kurzen Stopp stellen wir zumindest ein wenig erleichtert fest, das nur das Spiegelglas kaputt ist und der Rest des Aussenspiegels heil blieb. Mal schauen, was der Schaden kosten wird…

Beim Verlassen

des Parks machen wir noch ein paar Fotos beim Yosemite-Schild und verlassen den Park über den Highway #120 in Richtung Stockton. Führt die Strasse zu Beginn durch bewaldetes Gebiet verändert sich die Umgebung zusehends. Die Bäume und der graue Granit verschwinden und machen Büschen, gelber und roter Erde Platz. In Oakdale machen wir einen Zwischenhalt. Erstens brauchen wir ein WiFi um einen Übernachtungs-Platz zu finden und zweitens benötigen Alain und Jenny einen Ersatzspiegel. Ohne Aussenspiegel ist man in so einem Fahrzeug verloren und sieht weder im toten Winkel noch sonst was.

Für die Nacht finden wir was, für den Spiegel nicht. Also basteln wir aus diversen Spiegeln von Schminkzeugs und Kulturbeuteln einen mehr oder weniger adäquaten Ersatz um uns in der Interstate-Hölle in und um Stockten behaupten zu können. Zuerst fahren wir aber durch eine stark landwirtschaftlich beanspruchte Ebene. Wein, Mandeln, Baumnüsse, Kühe. Den Ranchern hier scheint es gut zu gehen.

Der Stadt Stockton nicht. 2011 war die 325’000-Einwohnergemeinde auf der Forbes-Liste der gefährlichsten US-Städte auf Platz fünf und der der elendesten Städte auf Platz eins. 2012 erklärten Vertreter der Stadt die Insolvenz. Und man merkt es. Die Strasse ist in desolatem Zustand.

Wir sind froh,

diese Stadt nur zu streifen als wir ins San Juan River Delta einbiegen. Das Delta besteht aus zahllosen Kanälen und natürlichen Wasserwegen, welche eine Anzahl von Inseln und Feuchtgebieten bildet. Zudem wird die Gegend durch Schutzdämme geschützt. Grosse Gebiete der Gegend liegen nämlich unter dem Meeresspiegel. Und genau hier wollen wir unsere Zelte aufschlagen. Nach mehr als 150 Meilen sind wir weg von Fleece, Hose und Mütze wieder im Land der Shirts, Shorts und Flip Flops angekommen. Bei knapp 28 Grad geniessen wir die Sonnenuntergangsstimmung in der Brannan Island Recreation Area mit einem Bier. Herrlich so leicht bekleidet. Danach schmeissen wir den Grill an und essen nach gefühlten zwei Jahren wieder draussen unser Znacht. Morgen heisst es ausschlafen, ausspannen und feiern. Alain hat Geburtstag und feiert seinen halbrunden 35sten.

Zum Frühstück gibt es Glückwünsche und Geschenke - ein Bacon Soda, ein Birthday Cake Soda, Socken, eine aufblasbare Krone und das kleinste Ping-Pong-Set der Welt. Danach gehen wir ans Wasser und lassen unsere Körper in der kalifornischen Sonne brutzeln.

Am Abend gibt es weitere Überraschungen: Oli und Murielle haben in Las Vegas eine Flasche Veuve Cliquot gekauft und im letzten Einkaufscenter haben die drei einen Plan zusammen konspiriert um Alain abzulenken und eine kleine Geburtstagstorte zu organisieren. Bei Filet, Fisch und Gratin und einem feinen tropfen Wein wird das Geburtstagsmenü zum Gaumenschmaus und wie erwähnt mit der Torte als Sahnehäubchen obendrauf. Puh - einfach nicht an die Kalorien denken!!!

Als wir uns

am nächsten Morgen startklar machen, holt uns die Wirklichkeit langsam ein. Wir fahren zum letzten Zeltplatz im Anthony Chabot Regional Park nahe der Road Bear Vermietstation in San Leandro. Bevor wir aber dorthin tuckern, machen wir einen letzten Walmart-Stopp. Wir müssen noch unzählige Mitbringsel einkaufen: Wasabi-Mandeln, IcyHot-Salben, Reese’s, M&M’s, Sonnencremes et cetera, et cetera. Und auch für den Aussenspiegel finden wir einen wunderbaren Ersatz. In der Kosmetikabteilung hat es etliche Spiegel in diversen Grössen und in der Autoabteilung gibt es sogar kleine Blindspot-Spiegel für den toten Winkel. Nach kurzer Bastelstunde und ein paar Metern Duck Tape sieht man eigentlich fast keinen Unterschied mehr zum Originalzustand 😋😂 Danach fahren wir weiter in Richtung San Francisco. Wir wollen noch die Golden Gate Bridge befahren.

Die Brücke ist kein Problem, aber das Durchqueren der Stadt schon. Unser Navi führt uns einmal quer durch Downtown San Francisco inklusive Financial District. Nach unzähligen Schreckensmomenten und vom Angstschweiss genässten Shirts entkommen wir unbeschadet über die Bay Bridge aus der Verkehrshölle. Puh...

Im Campground angekommen, inszenieren wir draussen einen kleinen Flohmarkt. Die Koffer und Rucksäcke werden ausgebreitet, Schränke geleert, mitgebrachte Kleider, Shopping-Trouvaillen und die Campingausrüstung eingepackt. Überzähliges wie ein Grill, ungeöffnete Lebensmittel oder Wasserflaschen werden an unsere Nachbaren verschenkt. Die Stube wird gewischt, ebenso der Keller und die Führerkabine. Drei Stunden später sitzen wir völlig verschwitzt und doch ein wenig geschafft am Tisch und gönnen uns ein Bierchen. Am Abend werden die letzten Holzscheite verbrannt (am nächsten Tag kommt beim Frühstück die Rangerin vorbei und verhängt ein absolutes Feuerverbot - Glück gehabt) und zum Znacht veranstalten wir eine regelrechte „Chuchiwüschete“.

Die letzte Nacht

vergeht wie im Flug und nach kurzem Frühstück sind wir schon auf dem Weg zur Vermietstation von Road Bear in San Leandro. Nach etwas mehr als 30 Minuten fahren wir auf den Hof und stehen vor überraschten Mitarbeitern. Gemäss ihren Daten sind wir einen Tag zu früh zurück. Wir vier schauen uns auch etwas verdutzt an. Nach einer kurzen Recherche geben wir den Mitarbeitern von Raod Bear recht, allerdings haben wir ab heute für vier Nächte eine Unterkunft in San Francisco gebucht und somit geben wir unsere Pfupfis halt bereits einen Tag früher ab.

Bei Oli und Murielle nimmt die Abgabe nur kurze Zeit in Anspruch, bei Jenny und Alain geht es aufgrund des Schadens am Aussenspiegel etwas länger. Es müssen noch einige Formulare ausgefüllt werden, ein Mechaniker begutachtet die Schäden an Spiegel, Fahrertür und Seitenfenster der Fahrertür und bespricht sich mit den Frontdesk-Mitarbeitenden. Danach wird uns die voraussichtliche Schadensumme von 320 Dollar zusammen mit den Restkosten für 85 Zusatzmeilen, Propan, drei Generator-Stunden sowie der Toll-Fee für die Golden Gate Bridge unserer Kreditkarte belastet (Update: ein paar Wochen nach unserer Rückkehr erhalten wir diese Schadensumme von der inkludierten Reiseversicherung wieder zurück).

Kurz vor Mittag ist alles erledigt und wir sitzen emotional draussen vor der Vermietstation. That’s all folks (almost)! Fantastisch war es, wir haben eindrückliches und atemberaubendes erlebt, „Lifetime-Memories“ gesammelt und können unser Glück kaum in Worte fassen. Zum dritten Mal geht unser Camping-Abenteuer zu Ende. Na ja, ein paar Tage bleiben ja noch. Aber das ist ja nicht mehr Camping, sondern eher ein abschliessender City-Trip.

Nun heisst es warten auf unser UBER, Koffer-Tetris spielen mit Überfahrt von San Leandro ins Russian Hill Quartier von San Francisco.